Neuigkeiten aus der Kampagne

Liebe Unterstützer*innen und Interessierte,

wir wollen Euch gerne über den aktuellen Stand des Projekts – 3. Option – informieren:
1. Aktuelle juristische Situation
2. Finanzielles
3. Wie geht’s weiter?

1. Aktuelle juristische Situation

Update: Die Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) wurde am 16.2.2015 eingereicht. Wir halten euch auf dem Laufenden.

a) Aktueller Stand des Verfahrens
Am 21. Januar hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle als zweite Instanz die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts (AG) Hannover abgelehnt. Angefangen hatte alles mit dem Antrag an das Standesamt Gehrden, in dem Vanja am 28. Juli 2014 beantragt hatte den eigenen Geburtseintrag in „inter/divers“ oder alternativ „divers“ ändern zu lassen. Ein gutes halbes Jahr später reichen wir in diesem Monat die Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) als dritte Instanz ein. Das heißt bisher lief das Verfahren seitens der Gerichte sehr zügig. Wir hatten nicht erwartet so schnell so ‚weit‘ zu kommen. Sollte der BGH den Antrag ablehnen, werden wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das war von Anfang an unser Ziel, auch wenn wir nichts dagegen hätten, dass eine frühere Instanz Vanjas Antrag stattgibt.

b) Der Beschuss des OLG Celle
Das OLG Celle ist in seiner Begründung schon auf einem gute Weg gewesen, konnte sich aber leider im Ergebnis trotzdem nicht durchringen Vanjas Wunsch nach einem Eintrag der eigenen Geschlechtsidentität zu entsprechen.
Kurz zusammengefasst sagt das OLG Celle, dass die jetzige Rechtsituation so gestaltet ist, dass es einen Eintrag als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ geben muss (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 PStG). Als Alternative dazu ist es möglich, die Eintragung des Geschlechts wegzulassen (§ 22 Abs. 3 PStG). Nach dem OLG Celle ermöglicht diese Regelung nicht nur das Offenlassen des Eintrags bei Neugeborenen, sondern auch eine spätere Streichung eines Eintrags als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘. Eine Eintragung als ‚inter‘ und/oder ‚divers‘ oder auch anderer alternativer Bezeichnungen sei dagegen nach der aktuellen Gesetzeslage nicht möglich, da in der Verwaltungsvorschrift zum PStG ausdrücklich festgeschrieben sei, dass solche Eintragungen ausgeschlossen sind.
Diese Rechtslage hält das OLG Celle auch für verfassungsgemäß, obwohl es durchaus einen grundgesetzlichen Anspruch auf Anerkennung der selbstempfundenen Geschlechtsidentität als gegeben ansieht. Da dieser Anspruch auch für Personen gilt, die sich weder als ‚männlich‘ noch als ‚weiblich‘ definieren, wäre die Rechtslage verfassungswidrig, wenn es nur diese beiden Möglichkeiten gäbe. Es reicht nach Ansicht des OLG Celle jedoch aus, dass es den Anspruch auf Streichung der Eintragung gibt, um eine Alternative zu ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ zu schaffen und somit eine verfassungsgemäße Rechtslage.

c) Wichtige Aspekte aus dem Beschluss
Soweit also die Ansicht des OLG Celle. Neben Kritik, die wir an dem Beschluss natürlich auch haben, finden wir zwei Dinge bemerkenswert und wichtig für andere laufende oder mögliche zukünftige Verfahren.
Zum einen schafft der Beschluss des OLG Celle zumindest Rechtsklarheit über die Möglichkeit den bestehenden Eintrag als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ zu streichen. Dies ist nach Ansicht des OLG Celle durch § 22 Abs. 3 PStG möglich. Daher können zumindest Personen, die ‚lediglich‘ eine Streichung erreichen wollen, bei ihrem eigenen Antrag auf den Beschluss des OLG Celle verweisen.
Dabei bleibt jedoch weiterhin offen, welche Nachweise die Behörden für einen solchen Antrag verlangen werden. Sowohl die Formulierung des § 22 Abs. 3 PStG als auch die konkretisierende Verwaltungsvorschrift stellen momentan leider auf die körperliche Verfasstheit einer Person und entsprechende medizinische Nachweise ab – was eindeutig nicht einem Anspruch auf Anerkennung der eigenen geschlechtlichen Identität entspricht (weitere Ausführungen unserer Einschätzung der Änderung des § 22 PStG findet ihr hier. Unabhängig vom Beschluss des OLG Celle ist daher an dieser Stelle weiterhin politisch auf eine Änderung der Verwaltungsvorschrift zu bestehen, die praktische Umsetzung des § 22 Abs. 3 PStG kritisch zu beobachten und ggf. den Anspruch auf Selbstbestimmung gerichtlich durchzusetzen.
Neben dem klaren Bekenntnis zur nachträglichen Streichung finden wir den Beschluss vor allem deswegen bemerkenswert, weil er die Grundannahme unserer Kampagne klar bestätigt: Es gibt Personen, die sich mit den Begriffen ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ nicht oder nicht ausreichend bezeichnet fühlen. Und auch diese Personen haben einen grundgesetzlich garantierten Anspruch auf rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität als wichtiger Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Diese Anerkennung ist unabhängig von medizinischen Kategorisierungen und Bescheinigungen, da die selbstempfundene geschlechtliche Identität ausschlaggebend ist.

d) Inhaltliche ‚Mängel‘ des Beschlusses
Dass das OLG Celle diesen Anspruch auf rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität durch § 22 Abs. 3 PStG gewährleistet sieht, überzeugt jedoch nicht.
Zum Einen überzeugt die Darstellung der Gesetzeslage durch das OLG Celle nicht, soweit dieses darlegt, dass alternative Eintragungsmöglichkeiten durch die Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG) ausgeschlossen werden. Verwaltungsvorschriften sind keine Gesetze im eigentlichen Sinne und daher sind nur Behörden, nicht aber Gerichte an die Vorschriften gebunden. Das heißt das Standesamt musste diese Vorschrift beachten, nicht jedoch das AG Hannover.
Zudem gewährleistet § 22 Abs. 3 PStG in seiner momentanen Fassung (insb. aufgrund der Verwaltungsvorschrift) keine Anerkennung der selbstempfundenen Identität, sondern stellt auf die körperliche Verfasstheit einer Person ab. Der vom OLG Celle anerkannte Grundrechtschutz bezieht sich jedoch auf die Identität.
Besonders kritikwürdig ist die Annahme des OLG, dass eine Nicht-Eintragung zur Erfüllung des grundgesetzlichen Anspruchs auf Anerkennung der eigenen geschlechtlichen Identität ausreichen würde. In Bezug auf den § 22 Abs. 3 PStG wird dies schon dadurch deutlich, dass die Regelung sich auf ‚Fehlende Angaben‘ bezieht. Die Angabe über die Geschlechtsidentität ‚fehlt‘ jedoch bei Vanja – und zahlreichen anderen Betroffen – nicht und sie ist auch nicht ‚ungeklärt‘ oder ähnliches. Soweit eine Person sich über die eigene Geschlechtsidentität äußern kann, kann eine Anerkennung nicht in der Einordnung als ‚fehlend‘ liegen.
Die Nicht-Eintragung des Geschlechts würde die Identität der Betroffenen nur dann ernstnehmen und den grundgesetzlichen Anspruch erfüllen, wenn generell keine Eintragung des Geschlechts in Geburtsurkunden mehr erfolgen würde. Solange als Regelfall die Eintragung des Geschlechts vorgeschrieben ist, kann es keine Differenzierung der geschlechtlichen Identität in eintragungsfähig und nicht-eintragungsfähig geben. Eine solche Differenzierung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1, 3 GG (Grundgesetz). Hinsichtlich geschlechtlicher Identität wie Inter* oder Trans* ist jedoch nicht nur eine Gleichbehandlung im Sinne einer Antidiskriminierung angemessen, sondern aufgrund der gesellschaftlichen Marginalisierung und Unsichtbarkeit gerade für diese Identitäten eine explizite Anerkennung in Form einer Eintragungsmöglichkeit bedeutend. Ähnlich wie das Grundgesetz nicht nur eine Gleichberechtigung von Mann und Frau vorschreibt, sondern aufgrund der zuvor Jahrhunderte langen rechtlichen und gesellschaftlichen Benachteiligung eine aktive Politik des Abbaus der Ungleichheit fordert, ist die Anerkennung der eigenen Identität von Inter* und Trans* und anderen Marginalisierten nicht nur wegen einer Gleichbehandlung zwingend, sondern als aktive Maßnahme der Anerkennung. Sie ist nicht nur für die gesamtgesellschaftliche Situation bedeutend, sondern auch für die psychische Situation einzelner Betroffener.

e) Das heißt…
Wir sehen den OLG-Beschluss durchaus als wichtigen Zwischenschritt an, für den sich der Aufwand den juristischen Weg zu beschreiten schon gelohnt hat, weil nun auch andere Menschen an diesen Zwischenschritt anknüpfen können. In den nächsten Instanzen werden wir jedoch deutlich machen, dass das OLG Celle die Konsequenzen aus der Rechtslage falsch eingeschätzt hat und durchaus ein Anspruch auf eine Eintragung jenseits von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ besteht.

2. Finanzielles
Da das gerichtliche Verfahrens jetzt quasi in der Halbzeit ist – auch wenn das nicht heißt, dass der Rest in derselben Zeit vonstattengehen wird – wollen wir das auch zum Anlass für einen Kassensturz nehmen.
Momentan setzt sich unser ‚Topf‘ hauptsächlich aus Spenden von Einzelpersonen und Referent*innen-Honoraren, die wir unsererseits gespendet haben, zusammen. Außerdem haben uns noch mehrere Gruppen Geld zukommen lassen (queergestellt, Kingdom of Cologne und w.i.r.). Bei der Gelegenheit möchten wir nochmal allen danken, die sich bisher finanziell beteiligt haben und hoffen wir können die damit verbundenen Erwartungen erfüllen.
Im Bereich ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ wurde bisher Geld für Material wie Flyer, Aufkleber etc. ausgegeben. Daneben wurden teilweise Fahrtkosten zu auswärtigen Terminen bezahlt. Im ‚juristischen‘ Bereich haben wir (nach den entsprechenden Sätzen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetze s (RVG)) die Verfahrensbevollmächtigte von Vanja für die erste Instanz (AG Hannover) und einem beratenden Anwalt eine Aufwandsentschädigung für die Mitarbeit am Antrag gezahlt. Für die zweite Instanz (OLG Celle) hat Vanja Prozesskostenhilfe bekommen; d.h. dafür sind keine Kosten angefallen. In der anstehenden BGH-Instanz muss Vanja neben der bisher tätigen Verfahrensbevollmächtigten eine Anwältin beauftragen, die beim BGH zugelassen ist. Dies sind insgesamt nur 46 Anwälte/* /Anwältinnen; d.h. die Auswahl ist mehr als eingeschränkt. Aus diesem Grund fallen Kosten an, die über die Prozesskostenhilfe hinausgehen. Sollte das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht weitergehen, wird es dort leider mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Prozesskostenhilfe geben. Daher werden wohl insgesamt (bisher und zukünftig) mindestens Anwältin-/* /Anwaltskosten in Höhe von 3000,-€ anfallen. Es können aber auch mehr werden.
Mit dem was wir uns im letzten Jahr an Honoraren erarbeitet haben und zusätzlich von Euch bekommen haben, könnten wir die genannten Kosten in etwa aufbringen; allerdings dürfen dann keine großartigen Sonderkosten mehr anfallen – schön wäre es natürlich noch Spielraum für weitere Kläger*innen zu haben. Wir versuchen euch auf dem Laufenden zu halten. Sollten wir plötzlich zu viel statt zu wenig haben, wird das Geld selbstverständlich für entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und/oder eventuelle Folgeklagen aufgebraucht.

3. Wie geht’s weiter?
Die Beschwerde beim BGH muss noch Ende dieses Monats eingereicht sein. Wie lange das Verfahren am BGH dann dauert, ist nicht absehbar. Vermutlich länger als die bisherigen Instanzen – aber wir lassen uns überraschen und halten Euch auf dem Laufenden.
Gerüchteweise gibt es weitere Menschen außer Vanja, die versuchen wollen der 3. Option auf dem Gerichtswege in der einen oder anderen Art näher zu kommen oder den Weg bereits angefangen haben. Wir versuchen Euch auch dahingehend zu informieren, sind aber selbstverständlich selber auf Informationen angewiesen und vor allem auf das Einverständnis der betreffenden Personen hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen.
Arbeitsideen für die ‚Begleitkampagne‘ sind noch zahlreich vorhanden, aber da wir recht schnell auf einen kleinen Personenkreis zusammengeschrumpft sind, sind wir zeitlich mehr als ausgelastet, können also nicht alles umsetzen was wir wollen.
Wir freuen uns weiterhin über Unterstützung verschiedenster Art. Ein paar Anregungen findet ihr hier.

Viele Grüße

euer Dritte Option Kampagnenteam