PM: Erfolg vor dem Amtsgericht Münster

Pressemitteilung

Erfolg für ‚Dritte Option‘ diesmal bereits in der 1. Instanz

Das Amtsgericht Münster hat am 16.12.2019 verkündet, dass ein Eintrag als ‚divers‘ nur von der Geschlechtsidentität und nicht von medizinischen Diagnosen abhängen darf. Die Rechtskraft dieses Beschlusses folgt vorussichtlich am 30.01.2020.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.10.2017 aufgrund der Verfassungsbeschwerde von Vanja und der unterstützenden Gruppe Dritte Option festgestellt, dass es im Geburtenregister eine dritte, gleichberechtigte Option neben ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ geben muss.Ein Jahr später haben deutschlandweit fast 200 Menschen im Rahmen der Aktionswoche ‚Aktion Standesamt 2018‘ einen Antrag auf Änderung oder Streichung ihres Geschlechtseintrages gestellt. Der regionale Aktionstag am 10.10.2018 in Münster wurde von der Gruppe Dritte Option in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Aktion Standesamt 2018 durchgeführt. In Begleitung von Unterstützer*innen und der Rechtsanwältin Katrin Niedenthal reichte Noa einen Antrag auf Änderung des Personenstands in „divers“ ein. Da das Standesamt sich nicht in der Lage sah, den Antrag zu bearbeiten, legte es diesen zur Entscheidung dem Amtsgericht Münster vor, welches bereits am 16. Dezember einen Beschluss fasste.

Darin wird ausgeführt,

dass zwar deutlich ist, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Eintragung als ‚divers‘ auf intergeschlechtliche Personen beschränken wollte, eine solche Regelung jedoch verfassungswidrig wäre. Daher sei die Regelung des § 45b PStG verfassungskonform anzuwenden und eine Änderung des Geburtseintrags auch für Personen möglich, die „nach medizinischen Erkenntnissen einem bestimmten biologischen Geschlecht zuzuordnen sind, jedoch subjektiv nicht entsprechend dieser medizinischen Zuordnung empfinden.“ Entscheidend für den Geschlechtseintrag sei allein die Geschlechtsidentität, weshalb das Gesetz nicht zwischen intergeschlechtlichen und transgeschlechtlichen Personen differenzieren dürfe.

Rechtsanwältin Katrin Niedenthal, die Noa in dem Verfahren vertreten hat, begrüßt die ausführliche Auseinandersetzung des zuständigen Richters mit der schwierigen Rechtslage, die durch die unzureichende Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses im Fall von Vanja durch die aktuelle Regierungskoalition entstanden ist: „Die verfassungskonforme Auslegung der neuen Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags, wie sie das Amtsgericht Münster vorgenommen hat, war als Klarstellung der Rechtslage dringend notwendig. Ich habe seit der Gesetzesreform zahlreiche verunsicherte Anfragen von betroffenen Personen bekommen, die zu Recht nicht verstehen konnten, warum die Wahrnehmung ihrer Grundrechte von der Beurteilung ihres körperlichen Zustandes durch Dritte abhängen soll.“

Derzeit sind noch mindestens zwei weitere vergleichbare Verfahren am Amtsgericht Münster anhängig, deren gerichtlicher Beurteilung die Gruppe Dritte Option optimistisch entgegen sieht.

Zuvor hatte am 11.07.2019 bereits das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einer Person Recht gegeben, die schon im Jahr 2016 einen Antrag auf Streichung des Geschlechtseintrages gestellte hatte. Das OLG Düsseldorf hat in dieser Entscheidung festgestellt, dass es keines medizinischen Nachweises der Geschlechts(nicht)zugehörigkeit bedürfe.

Trotz der erfreulichen Entscheidungen des AG Münster und des OLG Düsseldorf ist es zur Rechtssicherheit und zum Schutz der Grundrechte von intergeschlechtlichen und transgeschlechtlichen Personen dringend notwendig, das Transsexuellengesetz und den § 45b PStG zu ersetzen. Es bedarf statt ihrer einer Regelung, die allen Menschen unabhängig von ihrer körperlichen Konstitution einen ihrer Geschlechtsidentität entsprechenden Eintrag im Geburtenregister ermöglicht“, so Moritz Prasse, Pressesprecher der Gruppe ‚Dritte Option‘. Die Untätigkeit des Gesetzgebers zwinge intergeschlechtliche und transgeschlechtliche Personen immer wieder, mühsame Gerichtsverfahren zu führen, ärgert sich Moritz Prasse trotz der Freude über den aktuellen Gerichtsbeschluss. „Bei einer Gesetzesreform sollte vor allem der überflüssige Einbezug von Mediziner*innen und Psycholog*innen beendet werden.“ Rechtsanwältin Niedenthal ergänzt aus Sicht einiger ihrer Mandant*innen, dass auch eine Reform des Abstammungsrechts dringend notwendig ist: „Obwohl das Recht mittlerweile endlich auch nicht-binäre Menschen anerkennt, gibt es im Familienrecht weiterhin nur Mann und Frau und Vater und Mutter.“