Soul of Stonewall Award für Dritte Option

Herzlichen Dank an das Team vom Berliner CSD für die Auszeichnung unserer Arbeit mit dem Soul of Stonewall Award und an Lucie Veith für die wunderbare Laudatio!! Diese Anerkennung freut uns sehr und wir hoffen, dass sie zu einer noch breiteren Sichtbarkeit unser Anliegen und Forderungen beiträgt.

Die Rede von Vanja anlässlich der Preisverleihung findet ihr unter den Bildern.

 

Rede von Vanja anlässlich der Verleihung des Soul of Stonewall Awards an die Gruppe Dritte Option

Ich möchte mich als erstes bedanken: beim Berliner CSD für den Soul of Stonewall Award und auch bei allen, die das Projekt einen dritten Geschlechtseintrag zu erklagen in den letzten Jahren unterstützt haben. Ganz besonders bei Louis Kasten, Mika Schäfer, Moritz Prasse und Katrin Niedenthal – hier mit mir auf der Bühne –, und auch beim erweiterten Jura-Team. Gemeinsam zusammen mit Unterstützer*innen haben wir diese Klage möglich gemacht.

Wie es dazu gekommen ist? Bei Fragebögen scheitere ich oft schon an Frage Nummer 2. Ich soll mich entscheiden: „Frau” oder „Mann”. Und fühle mich mal wieder – nicht repräsentiert. Irgendwie – übergangen.

Keine Medizin, keine Psychologie, kein Gesetz kann mir sagen, dass es mich nicht gibt – als Hermaphrodit. Mein Spiegel beweist doch das Gegenteil. Und ich bin müde davon zu versuchen diesen Teil von mir zu verstecken. Darum habe ich vor fünf Jahren beschlossen mit anderen Menschen zusammen aktiv zu werden.

Mit dem Urteil zur dritten Option ist jetzt offiziell anerkannt, dass es mehr gibt als zwei Geschlechter. Trotzdem ist noch lange nicht alles gut.

Weltweit kommt es immer noch zu Morden aus Trans*feindlichkeit. Weltweit werden die, die nicht in das Schema „Mann oder Frau” passen meist zu Anpassung gezwungen oder unterdrückt. Immer noch werden außerdem in Deutschland intersex Personen von der Medizin – durch OPs oder Hormone – an eine „weibliche” oder „männliche” Norm angepasst. Dank neuester Technik geht es sogar so weit, dass Menschen per Pränataldiagnostik prüfen, ob ein Kind bestimmte Formen der Intersexualität haben könnte und sich bis zu 70 Prozent, wenn sie die Wahl haben, dann gegen dieses ansonsten gewünschte Kind entscheiden.

Eine angebliche Normalität von „Mann” und „Frau” wird also erst mit Gewalt hergestellt: durch Selektion, durch OPs, durch Anpassungsdruck.

Darum setzen wir uns nach dem Urteil zur dritten Option politisch dafür ein, dass nicht schon wieder nur eine Minimallösung umgesetzt wird, wie von Seiten der rechten Verteidiger von „Heimat” und heterosexueller Kleinfamilie vorgeschlagen.

Stattdessen sollte das Urteil von 2017 zum Anlass genommen werden endlich volle rechtliche Anerkennung und Gleichstellung auch für inter* und trans* Menschen herzustellen.
In Zeiten von gesellschaftlichem Rechtsruck und nationalistischer Hetze ist Solidarität umso wichtiger. Darum sollten wir niemals die Interessen von inter* und trans* Menschen gegeneinander ausspielen, sondern zusammen für mehr Freiheit kämpfen.

Also weg mit dem TSG und diskriminierender Begutachtung von trans* Personen und weg mit medizinisch nicht notwendigen OPs an intersex Kindern – für einen selbstbestimmten Eintrag als inter*/divers.

Wir inter* und trans* Menschen haben ein Recht auf Geschlecht wie alle anderen auch – und zwar nicht nur als Leerstelle, “anderes” oder “weiteres”, sondern als selbstbewusste und selbstgewählte Identität.

Denn intersex sein ist nichts, was korrigiert oder verhindert werden muss. Intersex sein ist nichts, was von Mediziner*innen ungefragt „weg gemacht“ werden muss. Intersex sein ist nichts, was Schwangere so sehr erschrecken sollte, dass mensch lieber kein oder ein anderes Kind bekommt als eins, das vermeintlich nicht perfekt ist.

Es hat schon immer Menschen gegeben, die von der Anatomie, von den Hormonen oder von den Chromosomen her nicht oder nicht nur „Mann” oder „Frau” waren. Und es wird Zeit das zu respektieren, anstatt es wegzuoperieren, zu verdrängen oder zu verhindern

In Erinnerung an die Vorkämpfer*innen der Stonewall Riots, an die, die erste Intersex-Selbsthilfen gegründet haben um nicht mehr allein zu sein.

In Solidarität mit inter* und trans* Menschen weltweit lasst uns weiter streiten für eine Welt,

in der alle ihre Identität frei entfalten können, in der Platz ist für viele verschiedene Formen von Beziehungen und Familien.

Eine Welt, in der kein Mensch mehr mit Angst und Scham groß werden muss, sondern stolze inter* mit stolzen trans* Menschen über den alten Mythos von zwei Geschlechtern lachen können.