Wie heute bekannt wurde, hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes am 22. Juni den Antrag von Vanja auf einen Geschlechtseintrag als „inter/divers“ abgelehnt. Die Kampagnengruppe „Dritte Option“, die das Verfahren inhaltlich vorbereitet und während der bisherigen Dauer begleitet hat, bedauert, dass der Senat ihrer Ansicht nach die Grundrechte Vanjas nicht gründlich geprüft hat.
Der Bundesgerichtshof sieht innerhalb der gültigen Regelungen des Personenstandsgesetzes keine Möglichkeit zur einer Eintragung des Geschlechts als „inter“ oder „divers“. Er erkennt zwar an, das intergeschlechtliche Menschen mit den geläufigen Geschlechtern „Mann“ und „Frau“ nicht ausreichend beschrieben werden. Daher ist auch zu begrüßen, dass er das Urteil des OLG Celle dahingehend noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass das Offenlassen der Geschlechtskategorie nach § 22 Abs. 2 PStG auch rückwirkend möglich ist. Allerdings sieht er damit das verfassungsmäßige Recht in der eigenen Geschlechtsidentität anerkannt zu werden als ausreichend gewürdigt an.
In dem Beschluss wird darauf verwiesen, dass eine Zuordnung zu einer neuen Geschlechtskategorie keinerlei rechtlichen Folgen beispielsweise bei der Eheschließung hätte, da das Familienrecht nur Mann und Frau kenne. Daher mache es für Vanja auch nur einen symbolischen Unterschied ob er*sie nun einen entsprechenden Eintrag hätte oder nicht. Für Vanja ist es jedoch mehr als das: „Für intergeschlechtliche Menschen wäre ein dritter Geschlechtseintrag nach jahrzehntelangem Verleugnen und Unsichtbarmachen endlich die Anerkennung und Würdigung ihrer Existenz. Die aktuelle Lösung keinen Eintrag zu haben ist für mich eben nicht das selbe wie einen passenden Eintrag zu haben. Im Alltag, als Schutz vor Diskriminierung macht es einen Unterschied ob ich sagen kann ‘Ich bin ganz offiziell inter’ oder ob ich mich auf eine Leerstelle berufen muss.” Wie wichtig eine solche Anerkennung für Betroffene ist, zeigt sich auch daran, dass in einigen Ländern, wie Australien, ein dritter Eintrag bereits eingeklagt wurde und in anderen, wie Österreich, ähnliches angestrebt wird. (http://derstandard.at/2000039461912/Kampf-um-Anerkennung-eines-dritten-Geschlechts) Die Kampagnengruppe Dritte Option hat in den letzten Jahren immer wieder Rückmeldungen von Menschen bekommen, die die Arbeit der Kampagnengruppe ideell und finanziell unterstützen, da sie sich mit den bestehenden Möglichkeiten auch nicht repräsentiert sehen. Auch für diese Menschen ist der Beschluss jetzt ein Rückschlag.
Gänzlich unverständlich erscheint der Kampagnengruppe die vehemente rechtliche Unterscheidung des BGH zwischen Trans- und Intergeschlechtlichkeit. In dem Beschluss geht der Senat darauf ein, dass es die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gebieten, in der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität anerkannt zu werden, was es transgeschlechtlichen Menschen auch ermöglicht, den Geschlechtseintrag zu wechseln. Bei intergeschlechtlichen Menschen sieht der BGH da allerdings Probleme: „Anders als bei der Zuordnung zu einem schon bestehenden Geschlecht wären durch die Schaffung eines weiteren Geschlechts staatliche Ordnungsinteressen in weitaus erheblicherem Umfang betroffen.“ Benannt werden diese Ordnungsinteressen nicht. Ihr bestehen wird außerdem von der Kampagnengruppe angezweifelt, da rechtlich bereits durch die Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags mehr als männlich und weiblich besteht und somit die bestehenden Regelungen über kurz oder lang ohnehin angepasst werden müssen. Trotz dieser eventuell vorhandenen Schwierigkeit bleibt zudem aktuell die Rechtsverletzung – nämlich die Verletzung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts durch Nichtanerkennung der Geschlechtsidentität – bestehen. Eine Lösung dieses Problems erbringt der BGH nicht, sondern verweist an dieser Stelle darauf, dass sich auch Expert*innen uneinig seien, wie eine solche aussehen könnte.
Vanja und die Kampagnengruppe „Dritte Option“ wollen sich mit der Entscheidung nicht zufrieden geben. Sie kündigen an am 2. September um 17 Uhr Verfassungsbeschwerde einzureichen und diese mit einer Demonstration vom Bundesgerichtshof zu Bundesverfassungsgericht zu begleiten.
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