Nachtrag zu Stellungnahme zum §22 Personenstandsgesetz

– anlässlich der neuen Verwaltungsvorschrift –

Solltet ihr nicht wissen worum es überhaupt geht empfehlen wir erst die eigentliche Stellungnahme zu lesen.

Wie wir und andere im letzten Jahr schrieben, enthält der § 22 PStG zwar die Anerkennung, dass das binäre Geschlechtersystem doch nicht so allumfassend ist wie lange behauptet – bleibt jedoch eine tatsächliche Anerkennung von Menschen, die weder weiblich, noch männlich sind schuldig.

Über dieses grundsätzliche Problem hinaus, wurden schon im letzten Jahr – hier und anderswo – Bedenken hinsichtlich der praktischen Umsetzung des § 22 PStG geäußert. Diese Bedenken wurden nun durch die bisherige Fassung der Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetzt bestätig. Dort soll es in Zukunft heißen:

„Eine Eintragung unterbleibt, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Umschreibungen wie „ungeklärt“ oder „intersexuell“ sind nicht zulässig.“

„Aus der Geburtsanzeige muss sich zweifelsfrei ergeben, dass das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann“

„Wird im Falle einer Beurkundung der Geburt ohne Angabe des Geschlechts des Kindes durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen, dass das Kind nunmehr einem Geschlecht zugeordnet werden kann, so ist hierüber eine Folgebeurkundung einzutragen. (…)Wünscht die sorgeberechtigte Person auf Grund der Zuordnung des Kindes zu einem Geschlecht eine Änderung des eingetragenen Vornamens, so ist sie an die zuständige Namensänderungsbehörde zu verweisen.”

Kurz vorweg zur Erläuterung der Verwaltungsvorschrift: Eine Verwaltungsvorschrift (VwV) steht in der Hierarchie unter dem Gesetz. Sie hat vor allem Behördeninterne Funktionen indem sie den Beamter mitteilt wie diese ein Gesetz (welches zwangsläufig sehr abstrakt ist, um möglichst viele unterschiedliche Fälle zu erfassen) zu verstehen bzw. anzuwenden ist. Darin sind teilweise konkrete Details als in dem eigentlichen Gesetz festgelegt; bspw. Grenzwerte. Für ein Gericht ist eine solche VwV nicht bindet.

So stand bisher im Personenstandsgesetz, dass das Geschlecht des Kindes einzutragen sei. Erst in der VwV zum PStG fand sich der Hinweis, dass unter Geschlecht nur „weiblich“ oder männlich“ zu verstehen sei.

Nun muss diese VwV also u.a. an die Neuerungen im § 22 PStG angepasst werden.
Dies wurde sie in denkbar schlechter Weise:
Zum einen wird eine benannte Kategorie statt einer Nichteintragung explizit ausgeschlossen.
Die VwV enthält überdies nichts was den – hier und anderswo – geäußerten Befürchtungen über Eintragen bzw. Nichteintragung würden nicht die – im besten Falle beratenen – Sorgeberechtigten sondern Mediziner*innen entscheiden, entgegen treten würde.

Die Sorge die neue Regelung könnte eher für einen erhöhten Druck hinsichtlich der Einwilligungen zu OPs an Minderjährigen sorgen, wird durch die VwV eindeutig verschärft. Soweit die Vorschrift vorsieht, dass eine spätere binäre Eintragung eine ärztliche Bescheinigung über die eindeutige Zuordnung eines Geschlechts (männlich oder weiblich) voraussetzt, dürfte dies von vielen Betroffenen, Eltern und Standesbeamt*innen als Zwang zu medizinischen Maßnahmen verstanden werden.

Im Bezug auf diese Regelung raten wir dringend dazu sich im Falle der Verweigerung einer Eintragung juristische Unterstützung zu holen. Denn diese Regelung muss verfassungskonform ausgelegt werden: Das heißt anhand der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum TSG, dass zum einen eine `eindeutige Zuordnung´ nicht zwingend auf körperliche Merkmale abstellen muss. Denn das Geschlecht bestimmt sich anerkanntermaßen über die Geschlechtsidentität (u.a. BVerfG v. 11.10.1978, NJW 1979, 595; BVerfG v. 27.05.2008, BVerfGE 121, 175; BVerfG v. 11.01.2011, BVerfG 128, 109). Zum anderen dürfen medizinische Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit keine Voraussetzung für die Änderung von Personenstandspapieren sein (Urteil des BVerfG v. 11.01.2011, BVerfGE 128, 109).

Insofern ist es geradezu erschreckend mit welcher Unbedachtheit der Gesetzgeber hier kurz nach Abschaffung des OP-Zwangs aufgrund des TSG durch das BVerfG erneut eine eindeutig verfassungswidrige Praxis zu etablieren versucht.